Eine leistungssportliche Karriere bedarf eines jahrelangen Aufbaus und nimmt geschätzt 10.000 Trainingsstunden in Anspruch. Ein:e Sportler:in verbringt fast zehn Jahre damit, für Spitzenleistungen zu trainieren. An der Spitze können die Athleten sich meist nur eine begrenzte Zeitspanne halten. Die Gründe dafür können unterschiedlichster Natur sein. Oft sind es jedoch die hohen Anforderungen an die körperlichen Ressourcen, die eine Leistungssportkarriere in die Knie zwingt. Die Vorbereitung auf das Karriereende Leistungssport und der Umgang damit ist eine wichtige und hochsensible Thematik, welche gerne unterschätzt wird.
Was den Karriereübergang erleichtern kann
Entscheidet sich ein:e Sportler:in für eine Karriere im Hochleistungssport, dann ist der Alltag durchgeplant und neben dem intensiven und umfangreichen Trainings- und Wettkampfkalender bleibt keine Zeit für andere Dinge. Der Sport ist nicht mehr nur die schönste Nebensache der Welt, sondern wird die wichtigste Hauptsache.
Eine Forschergruppe um Ericsson (1993) befasste sich mit dem Thema der Leistungsentwicklung im Sport und ging davon aus, dass vor allem zielorientierte, langjährige Übungs- und Trainingsprozesse motorische und kognitive Mechanismen fördern und zu Spitzenleistungen führen. Die Forscher belegten ihre Annahme durch Vergleiche verschiedener Personengruppen mit und ohne Spitzenleistungen. Die Untersuchungsgruppe mit hervorgebrachten Spitzenleistungen – darunter waren Musiker:innen, Schachspieler:innen und Sportler:innen – haben mehr und über einen längeren Zeitraum zielorientiert trainiert als solche mit durchschnittlichen Leistungen.
Lebensveränderungen wahrnehmen und Bilanz ziehen
Auf höchstem Niveau über Jahre bestehen zu können, erfordert starkes Durchhaltevermögen und extreme Willens- und Leidensfähigkeit. Trotz jahrelanger Disziplin geht die sportliche Laufbahn nicht spurlos am Körper der:s Athleten:in vorbei. Kaum ein:e Sportler:in durchläuft seine:ihre Karriere im Hochleistungssport ohne Hindernisse wie beispielsweise Verletzungen oder Leistungstiefs. Aus eigener Erfahrung als Sportler und als Sportpsychologe empfehle ich jedem:r Sportler:in immer wieder eine „Kosten-Nutzen-Bilanz“ zu ziehen. Im Leben einer Person kommt es immer wieder zu Veränderungen, die einer Anpassung bedarf. Rational und emotional das Geschehen abzuwägen, ist überaus wichtig. Die Folge dessen kann ein Karriereende oder aber die verstärkte Anstrengung zum Weitermachen sein.
Der Entschluss, die Karriere zu beenden
Bedenken wir, wie viel Energie, Zeit und Leidenschaft ein:e Athlet:in in seine:ihre sportliche Karriere gesteckt hat, dann versteht jede:r, dass das Beenden einer Karriere kein einfacher Entschluss ist. Es kann mit der Pensionierung aus dem Berufsleben verglichen werden, was für viele Persönlichkeiten, die sich stark mit ihrem Beruf identifiziert haben einen großen Schritt darstellt. Im Sport wird zwischen dem – vorzeitigen, geplanten oder – abrupten Karriereende unterschieden.
Karriereende Leistungssport: plane deinen Ausstieg
Entscheidend für das Bewältigen des Karriereendes sind die zur Verfügung stehenden Ressourcen und das Empfinden des:r Sportlers:in beim Übergang ins „normale Leben“. Eine rechtzeitige Planung, ein freiwilliger Rücktritt sowie eine gute soziale Unterstützung ermöglichen einen problemlosen und sanften Karriereübergang.
Leider ist diese Situation in den seltensten Fällen Realität. Meist sind es die ungeplanten abrupten Karriereausstiege, zum Beispiel aufgrund von Verletzungen oder unvorhersehbaren Umständen, mit denen die Sportler:innen zu kämpfen haben.
Hilfreiche Tools: Reflektion und Diskussion mit dir selbst
Aus entwicklungspsychologischer Perspektive zählt das Karriereende zu einer unabwendbaren und notwendigen Herausforderung, die von dem:r Sportler:in gemeistert werden muss. Aus eigener Erfahrung empfehle ich, sich gedanklich und emotional mit dem Karriereende zu beschäftigen. Hier hilft es beispielsweise die erlebten Gefühle und Gedanken in einem Tagebuch festzuhalten. Diese Tagebuchaufzeichnungen können dann in Gesprächen mit vertrauten Personen oder einem:r Sportpsychologen:in reflektiert und diskutiert werden. Durch das Wahrnehmen und Interpretieren der eigenen Empfindungen können Erlebnisse und Gefühle besser reflektiert und verarbeitet werden. Zudem können die Personen, denen sich anvertraut wird stärker unterstützen.
Fähigkeiten übertragen lernen
Die Vorbereitung auf ein mögliches Karriereende sollte unbedingt Zielsetzungen außerhalb des Sports beinhalten. Längsschnittstudien berichten, dass während und kurz nach der Karriere der Sport und die sportliche Höchstleistung als primäres Lebensziel gewichtet werden.
Eine Umorientierung findet mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Sportkarriere statt. Befragungen ergaben, dass die Sportler:innen bereits nach einem Jahr die beruflichen Kompetenzen und die berufliche Entwicklung als wichtigstes Ziel formulierten.
Eine geeignete Methodik, um eine:n Athleten:in auf das Leben nach der Sportkarriere vorzubereiten, ist das Training übertragbarerer Fähigkeiten – „transferable skills“ (Mayocchi & Hanraham, 2000; Murphy, 1995).
Zum einen lassen sich die im Sport erworbenen Fähigkeiten wie die individuelle Stressbewältigungs – und Selbstkontrollstrategien oder das Zielsetzungstraining sinnvoll nutzen.
Zum anderen lassen sich die erlernten Interventionsmethoden (Stressbewältigung, Selbstkontrolle und Zielsetzung) auf berufliche Qualifikationen anwenden.
Ich freue mich darauf zu erfahren, vor welcher Entscheidung oder Ausstieg du stehst und was dich weitergebracht hat.
Alles Liebe, Dein Ben Göller
Literaturhinweise:
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